Fitnessstudio Betreuung ist Integration und Integration heißt Menschen miteinander vernetzen

Autor: Antonio Silva
shape UP Business Magazin – 11- 2016

BildWir haben in unserem Studio drei verschiedene Arten von Betreuung: für die Neukunden bis zum dritten Monat, für Bestandskunden 1 ab drei Monaten und Bestandskunden 2 ab fünf Monaten. Dazu nutzen wir gedruckte Trainingspläne in verschiedenen Farben, um die Mitglieder nicht mit zu viel Elektronik zu überfordern. Jeder Mitarbeiter weiß anhand der Farbe gelb, dieser Kunde ist neu und benötigt intensivere Unterstützung.

Alle Kunden erhalten jedes Jahr in der ersten Januarwoche per Post sechs Personal Trainingsschecks. Diese sind hochwertig aufgemacht und auf der Rückseite sind die Leistungen aufgeführt, die der Kunde in Anspruch nehmen kann. Die Termine sind im Abstand von zwei Monaten, unabhängig wie oft das Mitglied trainiert hat. Der Vorteil gegenüber der Einteilung nach Trainingseinheiten ist, dass der Kundenkontakt regelmäßig stattfindet.

Bei den Terminen geht es um die Körperanalyse, das neue Trainingsprogramm und die Zielerreichung. Viele Studios vergessen, dass die schriftliche Fixierung der ersten Zieletappe genauso wichtig ist, wie der Eingangstest. Ohne Zielvereinbarung verliert ein Studio vom ersten Tag an seine Neukunden. Der Begriff „Abnehmen“ ist zu allgemein. Für die Motivation muss definiert sein, wie viel Kilo in welcher Zeit reduziert werden sollen, aufgeteilt in kleine Zwischenziele.

Bei Betreuung geht es um Integration

Kunden, die Gruppenkurse besuchen, haben in der Regel eine deutlich niedrigere Kündigungsquote gegenüber Kunden, die an Geräten trainieren und Einzelberatung erhalten. Das liegt daran, dass wir uns viele Gedanken um Trainingsmethoden machen und dabei die Integration vergessen. Integration bedeutet: Mensch braucht Mensch. Den Anstoß gab ein Urlaub in Mexiko. Am Strand gab es mehrere Restaurants, wobei sich vor einem dieser Restaurants regelmäßig Warteschlangen gebildet haben. Das Essen und die Preise waren gleich. Der Unterschied lag darin, dass die Kellner die Gäste passend zueinander an Nebentische gesetzt und aktiv die Kommunikation unter den Gästen gefördert haben. Anschließend trafen sich die neuen Bekanntschaften am Strand oder an der Bar.

Dieses Konzept haben wir im Studio umgesetzt, indem jeder Trainer Kunden mit einem gelben Trainingsplan anderen Mitgliedern vorstellt. Hat ein Kunde innerhalb von zwei Monaten 20 Freunde im Studio, kündigt er nicht. Wir haben das zuvor getestet, indem wir einen Teil der Neukunden wie bisher betreut haben und einen Teil wie oben geschildert. Der Unterschied im Kündigungsverhalten war signifikant. Durch die Kommunikation untereinander und das Verabreden miteinander zum nächsten Training, entsteht der gleiche Effekt wie beim Gruppentraining. Reden die Menschen beim Training nicht miteinander oder noch schlimmer, sie haben einen Kopfhörer auf oder schauen nur auf Bildschirme, kommt keine Integration zustande. Die beste Fitnessanlage, die ich kenne, verweigert sogar das Abspielen von Musik. In manche Anlagen werden mehrere Millionen investiert und keiner macht sich Gedanken darüber den Kunden zu integrieren. Die Isolation der Menschen nimmt immer mehr zu, deshalb ist es wichtig, dass wir einen Gegenpol setzen.

Bring a friend und neue Module als Betreuungskonzept

Ab dem dritten Monat erhält der Kunde für sein Trainingsprogramm die Farbe grün. Damit wissen die Mitarbeiter, jetzt ist die Zeit, dass wir diesen Kunden Ideen mitgeben für Kunden werben Kunden. Sie können immer freitags, das ist bei uns der Gasttag, jemanden zum Training mitbringen und sein Training begleiten. Das kommt bei unseren Mitgliedern sehr gut an.

Nach fünf Monaten, bei den Bestandskunden 2 mit dem blauen Trainingsprogramm, ist es Zeit, neue Module anzubieten. Der Neukunde ist neugierig, hat andere Menschen kennengelernt, ab dem dritten Monat ist er überzeugt von unserem Angebot, so dass er Weiterempfehlungen aussprechen kann und ab dem fünften Monat ist es möglich, ihm neue Angebote zu offerieren. Vor diesem Zeitablauf kommt das extrem schlecht an, weil der Kunde den Eindruck erhält, „Die wollen nur an mein Geld“. Ist er überzeugt und integriert, können Vibrationstraining, Massageliegen mit angeboten werden. So sehe ich Betreuung.

Thekentreff statt Seminarraum und Facebook statt E-Mail

Einmal im Monat haben wir freitags unseren Thekentreff, zu dem die Trainer die Kunden einladen. Die Mitglieder werden über Themen zur Fettverbrennung, zum Muskelaufbau, zur Ernährung informiert. Gleichzeitig dient der Event der Kommunikation und zum Kennenlernen. Der Tag wurde bewusst gewählt, da es auf das Wochenende zugeht, die Leute lockerer sind und die Informationen besser aufnehmen.

Als weiteres Modul zum Kennenlernen bieten wir Kurse für Singles an. Anfangs lief das zögerlich, viele haben nur geschaut, wer da mitmacht. Nach vier Wochen war dieser Kurs ausgebucht. Manchmal vergessen wir die Bedürfnisse der Kunden und dass sie neue Anreize benötigen.

Viele Studios setzen auf Facebook, aber nutzen es falsch, indem sie nur über ihre eigene Seite mit den Kunden kommunizieren. Jeder Neukunde wird bei uns gefragt, ob er bei Facebook ist. Wenn ja, verbinden wir uns mit ihnen und lassen alle Nachrichten darüber laufen. War ein Kunde vier Wochen nicht mehr beim Training, sendet der Trainer über Facebook eine persönliche Nachricht. Tatsache ist, dass Facebooknachrichten im Gegensatz zu E-Mails jeder liest. Das kommt gut an, da es als privat aufgefasst wird.

Ist der Chef aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch

Betreuung muss ein bewusstes System haben und darf nicht dem Zufall überlassen werden. Damit bei meiner Abwesenheit die Betreuung nicht vernachlässigt wird, habe ich unser Provisionssystem geändert. Hat ein Trainer einen Vertrag abgeschlossen, erhält er eine Provision. Die eine Hälfte bekommt er ausbezahlt und die andere Hälfte geht in einen Topf. Der Topf wird prozentual nach der Betreuungsleistung, z. B. für Körperanalyse, Re-Tests, neue Trainingsprogramme, aufgeteilt. Das wird nicht nur als fair angesehen, es motiviert die Trainer zu selbständiger Arbeit und gewährleistet, dass nicht nur die Neukunden intensiv betreut werden.

Die Fluktuation ist bei Discounter-Studios trotz des niedrigen Beitrags hoch, da letztendlich nur die Geräte gemietet werden. Es interessiert sich niemand für Trainingsziele und Betreuung. Im Gruppenraum findet man statt einem Trainer ein Video vor. Die neuen Medien sind schön und gut, aber es darf nicht übertrieben werden. Kunden, die darauf stehen, machen nur einen kleinen Teil unserer Zielgruppe aus. Die wichtige Zielgruppe sind Menschen, die ihr Leben geregelt haben und denen es nicht um den Preis geht. Das sind die Kunden, die wir brauchen und diese Kunden müssen Gesichter sehen. Nur Zahlen auf dem Bildschirm bringen keine Befriedigung. Es ist verständlich, dass Inhaber und Trainer von der Elektronik begeistert sind, da sie weniger Arbeit haben, aber der Kunde schiebt gelangweilt seine Chipkarte in die Geräte. Fragen wir uns, weshalb die Geräteparcours aus Holz erfolgreich sind. Das liegt darin begründet, dass der Trainer nahe am Kunden arbeitet, was als gute Betreuung empfunden wird und uns Holz Natur vermittelt.

Zwischenmenschliche Wärme ist im Zeitalter der Elektronik und digitaler Medien extrem wichtig geworden. Dass ich auch im Studio ins Internet kann und jeder auf sein Smartphone schaut, ist am Anfang vielleicht toll, kann auf Dauer jedoch nicht funktionieren, da es sich vom Arbeitsplatz nur noch wenig unterscheidet. Wir dürfen nicht vergessen, in unserer Dienstleistung geht es um Menschen und um ihre Gesundheit.

Was ist Betreuung?

Gartenzaungespräche „Wie geht es deiner Oma“ oder „Wer hat letzte Woche das Fußballspiel gewonnen“ haben mit Betreuung nichts zu tun. Betreuung und Integration ist, dem Kunden neues Wissen und neue Ideen für sein Training zu vermitteln. Wird ein Kunde zu häufig korrigiert, ist er sauer. Es ist besser, ihm Neues zu zeigen. Positiv zu korrigieren heißt, „Schau, ich habe noch eine Idee für dein Training, lass uns heute was Neues ausprobieren“. Damit erhält der Kunde verschiedene Trainingsreize und hat mehr Abwechslung.

Vor einiger Zeit bekam ich die Empfehlung ein Studio zu besichtigen. Beim Betreten dachte ich, das darf nicht wahr sein. Das Ambiente und die Ausstattung waren aus den Anfängen: eine Werkstatt mit zusammengeschraubten Geräten. Da stellte sich die Frage, weshalb hier 3.500 Mitglieder trainieren. Das Klientel sind u. a. hochkarätige Geschäftsleute, die begeistert sind, da die Trainer sie richtig fordern. Und das ohne jegliche Ablenkung. Es gibt keine Flatscreens und das Mitbringen von Mobiltelefonen auf die Trainingsfläche ist nicht erlaubt. An einer Wand werden die Erfolge der Mitglieder dokumentiert und an der Theke geht die Party ab

Im Gruppenraum wird von jedem Instruktor nicht nur gefragt, wer heute das erste Mal da ist. Die Neukunden werden von den anderen Mitgliedern nach der Vorstellung mit einem Händeklatsch beglückwünscht und willkommen geheißen. Das ist wie auf einem Geburtstag. Somit sind Neukunden ab der ersten Minute integriert. Alle Kurse werden an der Theke beendet. Die Kursdauer beträgt 45 Minuten, bezahlt werden die Instruktoren für 60 Minuten. Von diesem Thekenumsatz träumt mancher Studiobesitzer. Es wird über den Kurs gesprochen und was es in der nächsten Stunde Neues gibt, um die Neugierde zu wecken. In den Kursen, mit bis zu 100 Teilnehmern aus allen Altersgruppen, herrscht eine tolle Stimmung.

Andererseits kenne ich hochklassige Studios, bei denen die Instruktoren nach dem Kurs verschwinden und keine drei Worte mit den Teilnehmern wechseln. Dafür werden 120 EUR Mitgliedsbeitrag verlangt. Das ist nicht stimmig. Die Funktion der Trainer ist es, die Menschen miteinander zu vernetzen. www.shapeup-magazin.de

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